IN GEDENKEN AN DAS MARAŞ MASSAKER 1978
1978 ereignete sich das Massaker an Alevit*innen in Maraş. In dieser überwiegend kurdisch alevitischen Stadt im südlichen Teil Anatoliens in der Türkei, wurden in der sogenannten «Woche des Todes» Menschen alevitischen Glaubens massakriert. Unter dem Deckmantel der politischen Unruhen zwischen linken und rechten Lagern im Vorfeld des Militärputsches von 1980, wurde gegen Alevit*innen gehetzt und aufgestachelt. Dieses Muster, diese Hetze und dieses Morden kennen wir nur zu gut. So lassen die Massaker von Çorum und Sivas unsere Herzen immer noch bluten.
Im Zuge der Ermordung eines alevitischen Dedes nahmen die Spannungen zwischen rechter und linker Gruppierungen im Ort zunehmend zu. Während der Vorführung eines nationalistischen Filmes, kam es am Abend des 19. Dezembers 1978 in einem Kino zu einem Bombenanschlag, für den im Nachhinein Kommunisten und Aleviten verantwortlich gemacht wurden. Am darauffolgenden Tag ereignete sich im Gegenzug ein Anschlag auf ein alevitisches Kaffee. Dies brachte in der Folge weitere Gewaltausbrüche und Ermordungen mit sich.
Nachdem die Kämpfe weiter angeheizt wurden, indem rechte das Gerücht verbreiteten, dass Linke angeblich Moscheen gestürmt hätten, erreichten die Unruhen in der Nacht des 22. Dezembers 1978 dann ihren Höhepunkt. In vorwiegend von Alevit*innen bewohntem Yörükselim Mahallesi und weiteren Vierteln wurden die Häuser der alevitischen Bevölkerung markiert, während gleichzeitig in einigen Moscheen gegen sie gehetzt wurde.
Zum eigentlichen Pogrom kam es dann in der darauf folgenden Nacht. Der von Nationalisten und Anhängern der MHP aufgestachelter Lynch-Mob zog von Viertel zu Viertel und zerstörte Gebäude und Arbeitsstätten. Alevit*innen wurden aus ihren zuvor markierten Häusern auf die Strasse gezerrt, gefoltert und in grosser Zahl getötet. Dabei wurden auch Frauen und Mädchen vergewaltigt.
Trotz klarer Anzeichen und Vorboten der sich anbahnenden Unruhen, erliess der damalige Bürgermeister keine Massnahmen – man liess gewollt ein Massaker zu. Erst nach drei Tagen schickte die Ecevit-Regierung eine Armeeeinheit in die Provinz, die jedoch weitere Übergriffe nicht zu verhindern wusste. Im Lichte der Vorbereitungen, Hetz-/ und Verleumdungskampagnen, sowie der Passivität der Executive erschien klar, dass es sich dabei um ein systematisch geplantes Pogrom handelte.
Infolgedessen wurde in über 13 Provinzen im Südosten der Türkei der Ausnahmezustand verhängt. Nach offiziellen Angaben kamen bei den Tumulten 111 Menschen ums Leben. Nach Aussagen lokaler Zeitzeugen wurden jedoch über 1’000 Menschen ermordet. Als Ursache nannte die damalige Regierung einen Konflikt zwischen Linken und Rechten und verklärte somit das systematische Massaker mit nationalistisch-islamistischem Motiv an der alevitischen Gemeinschaft. Bis 1991 wurde gegen insgesamt 804 rechte und rechtsextreme Personen Anklage erhoben und Prozesse geführt. Die Gerichtsbeschlüsse wurden jeweils vom Berufungsgericht vertagt, nicht vollzogen oder gar aufgehoben. Bis heute wurde keiner der Täter zur Rechenschaft gezogen, obschon sieben lebenslange Haftstrafen und 29 Todesstrafen verhängt worden sind. Vielmehr sind die Mörder und Mittäter heute hochangesehene Parlamentarier, Polizisten, Beamte und Würdenträger.
In dieser Woche gedenken wir gemeinsam den unzähligen Opfern des Maraş Pogroms – auf das sie niemals in Vergessenheit geraten!